Im nahegelegenen Städtchen gibt es einen Stadtplatz mit Gelateria und zwei Bars. Dort habe ich vor wenigen Tagen musiziert und tatsächlich wurde etwas Geld und ein Bier aus der Bar gespendet.
Weil das so gut gelaufen ist, wollte ich nochmal mit dem kleinen Verstärker dort hin. Ganz unverstärkt war der Platz etwas zu groß und zu laut.
Beim zweiten mal war der Sound viel besser. Dafür hatte ich ein Erlebnis der besonderen Art. Nach kurzer Zeit fuhr ein älterer Mann mit Motorroller vor mich hin und lobte meine Musik. Der Roller stank und war so laut, dass er sicher nichts hören konnte. Natürlich ließ sich der Mann bei mir auf der Parkbank nieder und quasselte munter weiter. Dass ich ihm erklärte, mein Italienisch sei nicht so gut, änderte nichts an seinem Redefluss.
Er war so begeistert von der Musik, dass er seine Mundharmonika immer bei sich hatte. Die holte er jetzt raus und begann, mich zu begleiten. Das fand ich anfangs ganz witzig.

Schnell wurde klar, dass er weder für Rhythmus noch für Harmonien ein Ohr hatte. Seine Begleitung passte garnicht zu meinen Liedern. Dafür spielte er recht laut.
Meistens ist eine Mundharmonika auf eine Tonart gestimmt. Darum ist es leicht, damit anzufangen. Die
Frage nach der Tonart verstand der Mann nicht. Ich vermute, dass ihm das Konzept fremd war. Er nannte sein Instrument Fisarmonica, was eigentlich ein Akkordeon ist. Schließlich fand ich raus, dass die Fisarmonica in C gestimmt war, also spielte ich nur noch Lieder in dieser Tonart. Leider habe ich da garnicht so viele.
Auch in der richtigen Tonart gelang es ihm noch, einem völlig falschen Rhythmus zu spielen. Da half auch gutes Zureden, überdeutliches Rhythmusspiel und Mitstampfen
nicht viel.
Die Einheimischen an der Bar schienen sich mit Blicken und Gesten in unsere Richtung zu amüsieren. Gefiel ihnen meine Musik, freuten sie sich, dass ihr Mitbürger solchen Spaß am Musizieren hatte, oder fanden sie es lustig, wie ich mit dieser schrägen Begleitung kämpfte. Zwischendurch wurde ein Filmchen aufgenommen. Irgendwann winkten sie den Fisarmonica-Spieler zu sich. Er war stadtbekannt und mit jedem hier per Du. Das gab mir aber auch keine Gelegenheit, meine anderen
Lieder zu spielen, weil der Knabe bei seinen Freunden immer noch nicht von seiner Fisarmonica lassen wollte.
Zurückgekehrt bat ich ihn, mich wenigstens ein Stück ohne seine Begleitung spielen zu lassen. Das schien er auch zu verstehen, entschied sich aber mitten im Stück anders, sein Spieldrang war zu groß.
Als mein Aufenthalt in der Stadt sich dem Ende näherte, wollte ich doch noch eines meiner schönen Stücke vortragen. Darum ließ ich es nicht
bei Bitten bewenden, sondern befahl ihm in deutlichem Ton, die Fisarmonica zwischen uns auf die Bank zu legen und das ganze Stück dort liegen zu lassen. Ich war ganz befremdet von mir. Geklappt hat es auf jeden Fall, ich konnte dann ungestört spielen.
Weil er so eingeschüchtert war und sich noch mehrfach entschuldigte, verabschiedete ich mich freundlich mit Handschlag und bedankte mich auch für die musikalische Unterstützung (Was für eine Heuchelei?!). Insgesamt bin unzufrieden, dass ich mit der Situation nicht besser klargekommen bin, dass ich unfreundlich werden musste und doch nicht den gewünschten Erfolg hatte. Im Nachhinein scheint mir, ich hätte ihn auf einen Drink einladen sollen und seine Freunde bitten, gut auf ihn aufzupassen.