In Bayreuth war vieles anders als erwartet. Das Rathaus war leicht zu finden und die Genehmigung problemlos zu haben. Die Fußgängerzone war schon vor 10:00 recht gut besucht. Aber von dem geringen Zuspruch war ich doch anfänglich enttäuscht. In den ersten beiden Stunden lief praktisch nichts, höchstens ein freundliches Lächeln auf Distanz. Über die Mittagszeit hatte ich einem optimalen Platz. Trotzdem gab es nicht halb so viel Resonanz wie in Kulmbach. Auf dem Weg zum nächsten Platz ließ ich mir sagen, dass hier einfach zu viel Musik angeboten wird.
Da laufe ich dem Fotografen Ernst in die Arme. Das war eine Überraschung für mich, aber kein Zufall. Er verfolgt meien Blog und wusste daher, dass er mich hier finden konnte. So hat er das schöne Wetter für eine Foto-Pirsch genutzt. Erst mal haben wir unser Treffen begossen und geratscht. Danach wurde ein guter Spielort mit ansprechender Kulisse ausgewählt. Da lief es mit dem Publikum etwas besser, auch wenn sich weiterhin niemand von einem Straßencafe herüber locken ließ.
Aus der Frage eines jungen Mannes mit Gitarre am Rücken, wie man hier zu einer Genehmigung für Straßenmusik kommt, entsteht ein Gespräch, an dessen Ende ich ihn bitte, doch auch etwas zu spielen. Richard spielt echt super und möchte auf die Berufsfachschule für Musik gehen, um Musik zu seinem Beruf zu machen. Zusammenspiel und Improvisation sind das Größte für ihn und so spielen wir ein paar Stücke zusammen, aber eben nach meinen Möglichkeiten, also etwas, das ich schon kann und einfach aufgebaut ist, damit sich gut improvisieren lässt. Richard spielt mit meiner Gitarre und Verstärker, während ich auf seiner Gitarre akustisch begleite. Zusammen sind wir schon etwas laut. Als ich eben überlege, ob das Anstoß erregen könnte, fährt die Polizei vorbei. Direkt vor uns bleiben sie stehen und schauen recht prüfend. Als sie aber Ernst mit Kamera und Stativ hantieren sehen, fahren sie doch weiter. Ernst hat uns gerettet. Dachten die Herrn, das wäre hier ein Video-Dreh, hatten sie Angst vor schlechter Presse, oder wollten sie einfach keine Spielverderber sein? Wir werden es nie erfahren, glauben aber das Beste. 🙂
Nach ein paar ausgedehnten Stücken kommt der junge Schotte Ben vorbei, der zuvor schon mal bei mir gelauscht hatte. Natürlich konnten wir ihn überreden, mitzumachen. Ben kommt aus Edinburgh, wo er gut von Straßenmusik leben kann. Er hat eine tolle Stimme, spielt die Neo-Folk-Hits rauf und runter und ist ein sympathischer Junge, der offen auf alle Menschen zugeht. Jetzt tingelt er für einige Wochen durch Mitteleuropa.
Wenn so gejammt wird, freuen sich die Musiker, die Zuhörer bleiben da eher distanziert. Um so lustiger fand ich, dass sich dieser Typ von hinten anpirschte. Wir waren grade bei der Cuba-Sektion. Danach sah der Typ wirklich nicht aus. Pferdeschwanz, Death-Metal-Shirt, Army-Hose, Springerstiefel mit Lackschafft bis zum Knie. So saß er hinter den anderen Jungs und grinste vor Freude über die Musik. Die anderen konnten dieses Schauspiel erst nicht sehen. Bei einem anschließenden Bier wurde alles geklärt. Er spielt Metal-Bass, liebt aber spanische Gitarre. Was Richard abliefert, hat ihn entzückt. Der Metaller ist Ammi, möchte sich aber gerne hier niederlassen, wo er schon so viele Freunde hat.
Als sich unsere Runde auflöst, hat der Abend schon begonnen. Nach 6 Stunden Spielzeit habe ich keine Ambitionen mehr auf eine Einrad-Tour. Die Innenstadt gibt auch nicht so viel her. Mir war das Erlebnis genug.
Toller Bericht. Nett, wen Du alles triffst auf Deinen Reisen ;-))
Viele Grüße,
Gerhrd
Wie schön, zufälligerweise andere Musiker anzutreffen.
LG
I.Nixe
Ja, es ist wirklich schön, wenn dann was „zusammen“ geht.
Ich war auch schon mehrfach in Bayreuth, meist für CD- oder Rundfunk-Aufnahmen mit einem für die Gelegenheit zusammengetrommelten Orchester. Aber es stimmt schon, die Stadt ist derart gesättigt von Musik, dass man es als Straßenmusiker sicher außerordentlich schwer hat, dort über die Runden zu kommen.
Schlimmer ist es nur noch für die Nicht-Wagnerianer, denn es gibt kaum eine Straße/Gasse und auch nur wenige Läden, die nicht in irgend einer Form auf Wagner, seine Familie oder seine Opern anspielen (Siegfried-Apotheke, Schwanen-Gasse etc.). Wenn einem das nicht passt, bekommt man sicher bald einen Koller… 😱
ja, das ist leider wahr, in Bayreuth zählt ausser Wagner nichts…..Traurig….
Die Stadt „lebt“ auch nur im Sommer während der Festspiele….
Danke für den Beitrag…
LG Smilla